Die Testierfreiheit ermöglicht es dem Erblasser zu bestimmen, wem er sein Vermögen hinterlassen möchte. Er kann durch eine Erbeinsetzung die Person(en) bestimmen, die den Nachlass nach dem Tod erhalten soll(en).
Nach § 2100 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Erblasser einen Erben (Nacherben) in der Weise einsetzen, dass er erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer (der Vorerbe) Erbe geworden ist. Der Erblasser bestimmt für seinen Erbfall also zwei (oder mehr) zeitlich aufeinanderfolgende Erben (sogenannte Vorerbschaft und Nacherbschaft).
Der Zeitpunkt für den Eintritt des Nacherbfalls kann vom Erblasser frei gewählt werden. Häufig ist jedoch der Tod des Vorerben der relevante Zeitpunkt für den Eintritt des Nacherbfalles.
Die nachfolgenden Gründe können für den Erblasser ausschlaggebend sein, eine Vorerbschaft und Nacherbschaft anzuordnen:
Hat ein Ehegatte einseitig Abkömmlinge, kann durch die Einsetzung des anderen Ehegatten als Vorerbe verhindert werden, dass die einseitigen Abkömmlinge nach dem Tod des Vorerben einen Pflichtteilsanspruch auch aus dem ererbten Vermögen haben. Bei Tod des Vorerben erhält ein Pflichtteilsberechtigter des Vorerben seinen Pflichtteil nur aus dem Eigenvermögen des Vorerben.
Mit der Anordnung einer Vorerbschaft und Nacherbschaft kann verhindert werden, dass Eigengläubiger des Vorerben auf den Nachlass greifen; siehe § 2115 BGB, § 773 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 83 Insolvenzordnung (InsO). Um Vollstreckungsmaßnahmen und einen Zugriff auf die Nutzungen des Nachlasses zu verhindern, muss zusätzlich eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Die Vorerbschaft und Nacherbschaft ist damit ein mögliches Gestaltungsmittel bei überschuldeten Erben.
Der Erblasser kann den Eintritt der Nacherbfolge auch von einem unerwünschten Verhalten des Vorerben, zum Beispiel dessen Wiederverheiratung, abhängig machen.
Ein Grund für die Anordnung einer Vorerbschaft und Nacherbschaft kann auch die Erhaltung des Familienvermögens über mehrere Generationen hinweg sein.
Bis zum Eintritt des Nacherbfalls ist der Vorerbe Erbe. Er ist Inhaber der Rechte am Nachlass und Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten. Als Eigentümer der Nachlassgegenstände kann der Vorerbe grundsätzlich auch über diese verfügen.
Entsprechend ihrem Sinn und Zweck, den Nachlass dem Nacherben zukommen zu lassen, führt die Anordnung einer Vorerbschaft und Nacherbschaft jedoch dazu, dass das Vermögen des Erblassers von dem eigenen Vermögen des Vorerben getrennt bleibt. Es entsteht ein Sondervermögen, für das unter anderem folgende, gesetzlich vorgesehene Beschränkungen und Verpflichtungen gelten:
Nach § 2130 Absatz 1 Satz 1 BGB ist der Vorerbe nach dem Eintritt der Nacherbfolge verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt.
Der Erblasser hat die Möglichkeit, den Vorerben von gewissen Beschränkungen und Verpflichtungen zu befreien. § 2136 BGB enthält eine abschließende Aufzählung der Befreiungsmöglichkeiten.
Die Befreiung muss nicht ausdrücklich angeordnet sein, sondern kann sich auch durch Auslegung des Testaments ergeben. Setzt der Erblasser den Nacherben auf dasjenige ein, was von der Nacherbschaft beim Eintritt der Nacherbfolge noch übrig sein wird, gilt die größtmögliche Befreiung von allen in § 2136 BGB aufgeführten Beschränkungen nach § 2137 Absatz 1 BGB als angeordnet. Gleiches gilt im Zweifel, wenn der Erblasser bestimmt hat, dass der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll, § 2137 Absatz 2 BGB.
Keine Befreiung ist beispielsweise von dem Verbot der unentgeltlichen Verfügung über Nachlassgegenstände, der Pflicht zum Schadensersatz und der Pflicht auf Verlangen des Nacherben ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände anzulegen, möglich.
Durch die lediglich begrenzten Befreiungsmöglichkeiten erhält der Vorerbe nie alle Befugnisse eines Vollerben. Auch kann der Vorerbe – selbst wenn er umfassend befreit ist – natürlich nicht über den Nachlass letztwillig verfügen.
Die nicht befreite Vorerbschaft ist schnell erklärt:
Hat der Erblasser von der Möglichkeit der Befreiung des Vorerben keinen Gebrauch gemacht, unterliegt der Vorerbe voll den oben genannten gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen.
Da durch die Anordnung der Vorerbschaft und Nacherbschaft beim Vorerben zwei Vermögensmassen entstehen und für das Vermögen der Vorerbschaft auch bei Befreiung bestimmte Beschränkungen und Verpflichtungen gelten, ist die Konstruktion der Vorerbfolge und Nacherbfolge für den juristischen Laien oft nicht klar. Aus diesem Grunde ist in aller Regel eine rechtliche Beratung sowohl für den Testierenden als auch den Vorerben und den Nacherben anzuraten.