Sie haben einen Anhörungsbogen von der Polizei oder Bußgeldbehörde bekommen? Jetzt sind Sie sich nicht sicher, wie Sie mit dem Bogen am besten umgehen sollten?
Mit dem folgenden Beitrag wollen wir Ihnen als Betroffenem beziehungsweise Betroffener helfen, sich richtig zu verhalten.
Zunächst gilt, wie eigentlich immer im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht, der Grundsatz: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Denken Sie daran, Sie sind nicht dazu verpflichtet, sich selbst belasten zu müssen!
Sie haben einen Anhörungsbogen bekommen und wissen nicht, was zu tun ist? In unserem Video erklärt Rechtsanwalt Dr. Jochen Flegl, Inhaber von Flegl Rechtsanwälte, wie Sie am besten reagieren, wenn Sie einen Anhörungsbogen erhalten haben.
Mit Erhalt des Anhörungsbogens haben Sie als Betroffener – innerhalb einer Frist von einer Woche – die Gelegenheit, sich zur Sache zu äußern und sollen den Anhörungsbogen ausfüllen. Mit der Anhörung soll jedem Betroffenen „rechtliches Gehör“ im Bußgeldverfahren gewährt werden. Dieses grundrechtsgleiche Recht ist in der Verfassung, Artikel 103 Grundgesetz, verankert.
Sie können also, müssen sich aber nicht äußern. Auch müssen Sie sich als Betroffener in einem Bußgeldverfahren nie selbst belasten. Sie müssen auch nicht einer Ladung durch die Polizei Folge leisten oder der Polizei die Haustüre öffnen.
Sie wären allenfalls zu Angaben zur Person (vollständiger Name, aktuelle Anschrift, Geburtsdatum und Geburtsort) verpflichtet. Diese Angaben zur Person sind aber meist schon im Anhörungsbogen von der Behörde erfasst worden. Es führt daher zu keinen Konsequenzen oder Nachteilen, wenn Sie auf den Anhörungsbogen einfach nicht antworten beziehungsweise diesen nicht zurückschicken.
In einem Anhörungsbogen müssen Sie nur in seltenen Fällen Angaben machen!
Auf vielen „Anhörbogen-Formularen“ wird darauf hingewiesen, die Rücksendung sei eilig oder es wird zur Rücksendung binnen 8 bis 14 Tagen aufgefordert bzw. eine Wochenfrist gesetzt. Es gibt keine solche Frist, deren Versäumnis sanktioniert würde, auch wenn die Behörden hier oft so tun, als bestünde eine Verpflichtung, sich zurückzumelden. Sie können diese Frist ignorieren.
Häufig ist der Halter des Fahrzeuges ein Elternteil, das Fahrzeug wird aber von einem Kind gefahren. Dies ist die typische Variante, um als junger Fahrer in der Versicherung günstige Schadensfreiheitsrabatte quasi über die Eltern zu bekommen. Oder Halter den Familien-PKWs ist einer der Ehegatten und der andere Ehegatte ist gefahren.
Der Anhörungsbogen wird in aller Regel an den Halter übersandt.
In dieser Konstellation ist es empfehlenswert, keine Angaben zu machen, damit nicht die Ermittlungen auf das Familienmitglied gelenkt werden. Gelingt es der Behörde dann nicht, den „wahren Fahrer“ rechtzeitig zu ermitteln, besteht die Chance, dass das Verfahren nach drei Monaten verjährt.
Auch wenn bisweilen in Internetforen oder im Bekanntenkreis angeraten wird, einen Bruder, Mutter oder sonst ähnlich Aussehenden zu benennen, damit dieser die Punkte „auf seine Kappe nimmt“, weil der eigentliche Täter schon viele Punkte hat, so muss deutlich hiervor gewarnt werden!
Wer wider besseres Wissen eine solche Behauptung aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahme gegen einen (unschuldigen) Dritten herbeizuführen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft und begeht eine „falsche Verdächtigung“, siehe § 164 Strafgesetzbuch.
Aus einer simplen Ordnungswidrigkeit, die, vor allem mit anwaltlicher Hilfe, zumeist gut in den Griff zu bekommen gewesen wäre, wird dann eine Straftat, welche zu wesentlich härteren Strafen führt, als es die zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeit je getan hätte. Hände weg von dieser Variante!
Geben Sie auf gar keinen Fall einen falschen Fahrer an!
Es kann jedoch auch Situationen geben, in denen es durchaus ratsam ist, sich zu äußern oder der Behörde gegenüber Angaben auf dem Anhörungsbogen zu machen.
Wurde zum Beispiel Ihr PKW entwendet oder Sie hatten den PKW verliehen, als der Verstoß begangen wurde, so ist es, aber stets nach einer sorgfältigen Prüfung im konkreten Einzelfall, womöglich angebracht, diese Umstände mitzuteilen, um sich selbst zu entlasten.
Den wahren Fahrer zu benennen, ist zudem üblich, wenn der Halter des Fahrzeugs eine Firma ist und ein Mitarbeiter mit einem PKW der Firmenflotte den Verstoß begangen hat. Die Firma als Halterin bekommt in diesem Falle einen sog. Zeugenfragebogen (der sich von seiner Aufmachung und Inhalt praktisch nicht vom Betroffenen-Anhörungsbogen unterscheidet). Wenn der Fahrer von der Firma nicht benannt oder nicht zugeordnet werden kann, droht der Firma u.U. die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage, was zu enormem organisatorischen und Verwaltungsaufwand führt. Ob der Mitarbeiter besser benannt werden soll oder nicht, muss im Einzelfall deswegen sehr genau abgewogen und überdacht werden.
Wägen Sie Ihre Angaben im Anhörungsbogen gut ab!
Wenn Sie als Betroffener einen Anhörungsbogen erhalten haben, gilt:
Der aktuelle Bußgeldkatalog sieht für innerorts begangene Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, also inklusive 30er-Zone, folgende Strafen in einem später dann folgenden Bußgeldbescheid vor (Sondertatbestände, wie beispielsweise nicht Schrittgeschwindigkeit gefahren zu sein, werden gesondert sanktioniert):
Geschwindigkeitsüberschreitung | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
bis 10 km/h | 30 Euro | — | — | Hier prüfen |
11 km/h bis 15 km/h | 50 Euro | — | — | Hier prüfen |
16 km/h bis 20 km/h | 70 Euro | — | — | Hier prüfen |
21 km/h bis 25 km/h | 115 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
26 km/h bis 30 km/h | 180 Euro | 1 | (1 Monat) | Hier prüfen |
31 km/h bis 40 km/h | 260 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
41 km/h bis 50 km/h | 400 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
51 km/h bis 60 km/h | 560 Euro | 2 | 2 Monate | Hier prüfen |
61 km/h bis 70 km/h | 700 Euro | 2 | 3 Monate | Hier prüfen |
über 70 km/h | 800 Euro | 2 | 3 Monate | Hier prüfen |
Der Bußgeldkatalog sieht für – außerorts begangene Geschwindigkeitsverstöße – folgende Strafen in einem späteren Bußgeldbescheid vor (Sondertatbestände, wie beispielsweise nicht angepasstes Tempo an einem Bahnübergang, werden gesondert sanktioniert):
Geschwindigkeitsüberschreitung | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
bis 10 km/h | 20 Euro | — | — | Hier prüfen |
11 km/h bis 15 km/h | 40 Euro | — | — | Hier prüfen |
16 km/h bis 20 km/h | 60 Euro | — | — | Hier prüfen |
21 km/h bis 25 km/h | 100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
26 km/h bis 30 km/h | 150 Euro | 1 | (1 Monat) | Hier prüfen |
31 km/h bis 40 km/h | 200 Euro | 1 | (1 Monat) | Hier prüfen |
41 km/h bis 50 km/h | 320 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
51 km/h bis 60 km/h | 480 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
61 km/h bis 70 km/h | 600 Euro | 2 | 2 Monate | Hier prüfen |
über 70 km/h | 700 Euro | 2 | 3 Monate | Hier prüfen |
Der Bußgeldkatalog sieht für den Rotlichtverstoß (rote Ampel überfahren) folgende Strafen in einem noch folgenden Bußgeldbescheid vor:
Tatbestand | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
Einfacher Rotlichtverstoß (Ampel < 1 Sekunde rot) |
90 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
Einfacher Rotlichtverstoß mit Gefährdung (Ampel < 1 Sekunde rot) |
200 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
Einfacher Rotlichtverstoß mit Unfall (Ampel < 1 Sekunde rot) |
240 Euro | 2 | 1 Monat | Hier prüfen |
Qualifizierter Rotlichtverstoß (Ampel > 1 Sekunde rot) |
200 Euro | 2 | 1 Monat* | Hier prüfen |
Qualifizierter Rotlichtverstoß mit Gefährdung (Ampel > 1 Sekunde rot) |
320 Euro | 2 | 1 Monat* | Hier prüfen |
Qualifizierter Rotlichtverstoß mit Unfall (Ampel > 1 Sekunde rot) |
360 Euro | 2 | 1 Monat* | Hier prüfen |
Rechts abbiegen ohne vorher an roter Ampel zu halten, an der rechts ein grüner Pfeil angebracht ist |
70 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
Rechts abbiegen mit Gefährdung ohne vorher an roter Ampel zu halten, an der rechts ein grüner Pfeil angebracht ist |
100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
Rechts abbiegen ohne vorher an roter Ampel zu halten, an der rechts ein grüner Pfeil angebracht ist und dabei den Fußgänger- oder Fahrradverkehr der freigegebenen Verkehrsrichtung behindern |
100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
Rechts abbiegen mit Verursachung eines Unfalls ohne vorher an roter Ampel zu halten, an der rechts ein grüner Pfeil angebracht ist |
120 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
* je nach Tatbegehung auch Geldstrafe, Entziehung der Fahrerlaubnis und Freiheitsstrafe möglich
Der Bußgeldkatalog sieht für den Abstandsverstoß auf einer Autobahn folgende Strafen in einem später kommenden Bußgeldbescheid vor:
Tatbestand | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
Abstandsverstoß mit weniger als 80 km/h) | 25 Euro | — | — | Hier prüfen |
… mit Gefährdung | 30 Euro | — | — | Hier prüfen |
… mit Sachbeschädigung | 35 Euro | — | — | Hier prüfen |
Tatbestand | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
Abstandsverstoß mit mehr als 80 km/h | Hier prüfen | |||
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes | 75 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes | 100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes | 160 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes | 240 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes | 320 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
Tatbestand | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
Abstandsverstoß mit mehr als 100 km/h | Hier prüfen | |||
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes | 75 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes | 100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes | 160 Euro | 2 | 1 | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes | 240 Euro | 2 | 2 | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes | 320 Euro | 2 | 3 | Hier prüfen |
Tatbestand | Bußgeld | Punkte | Fahrverbot | Lohnt ein Einspruch? |
---|---|---|---|---|
Abstandsverstoß mit mehr als 130 km/h | Hier prüfen | |||
… Abstand weniger als 5/10 des halben Tachowertes | 100 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 4/10 des halben Tachowertes | 180 Euro | 1 | — | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 3/10 des halben Tachowertes | 240 Euro | 2 | 1 | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 2/10 des halben Tachowertes | 320 Euro | 2 | 2 | Hier prüfen |
… Abstand weniger als 1/10 des halben Tachowertes | 4000 Euro | 2 | 3 | Hier prüfen |
Wenn Sie einen Anhörungsbogen erhalten haben, werden die entstehenden Anwaltskosten von Ihrer Verkehrsrechtsschutzversicherung getragen. Zudem verzichten wir, wenn Sie uns damit beauftragen, gegen den Anhörungsbogen vorzugehen, auf die Geltendmachung einer mit Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbarten Selbstbeteiligung bis zu einem Betrag von 150,00 Euro. Wenn Sie keine höhere Selbstbeteiligung haben, ist unsere professionelle Verteidigung für Sie kostenlos.
Beauftragen Sie Rechtsanwalt Dr. Flegl, wenn Sie einen Anhörungsbogen bekommen haben!